Mittwoch, 16.30 Uhr
Dieser Vortrag berichtet über mehrere Versuchsreihen zur mentalen Repräsentation von Lautkategorien bei Mehrsprachigen. Untersucht wurde die Produktion und die Wahrnehmung vor allem englischer Sprachlaute bei Lernern unterschiedlichen Lernalters und unterschiedlichen sprachlichen Hintergrunds (u.a. L1 Deutsch, Spanisch, Koreanisch, Mandarin).
Die Hauptziele der Untersuchungen waren es, zu ergründen
ob und wie sich die Lautsysteme zweier Sprachen bei Bilingualen gegenseitig beeinflussen,
ob und wie sich die Repräsentationen von Lautkategorien durch sprachliche Erfahrung verändern,
welche Unterschiede in der Repräsentation von Lautkategorien zwischen Bilingualen bestehen, die ihre L2 im Kindesalter bzw. im Erwachsenenalter erworben haben.
Die Ergebnisse dieser Versuche zur Repräsentation von Vokalkategorien (Bohn & Flege 1990, 1992, Flege, Bohn & Jang 1997) und von Konsonantenkategorien (Überblick in Flege 1995) lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Prinzipiell ist die Fähigkeit, neue Lautkategorien zu etablieren, nicht altersabhängig. Bilinguale, die im Kindesalter eine zweite Sprache erlernen, etablieren für sämtliche Lautkategorien neue phonetische Repräsentationen. Auch erwachsene Lerner können neue Kategorien etablieren, allerdings müssen dazu zwei Bedingungen erfüllt sein:
Die zu erlernende Kategorie muss bereits existierenden Kategorien hinreichend unähnlich sein, so dass ihre Repräsentanten nicht als äquivalent mit Repräsentanten einer bereits existierenden Kategorie klassifiziert werden.
Der erwachsene Lerner muss umfangreiche (mehrjährige) sprachliche Erfahrung mit der L2 haben.
Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so entstehen Kompromisskategorien, die die phonetischen Eigenschaften von ähnlichen Lautkategorien in beiden Sprachen aufweisen.
Im Gegensatz zu Kompromisskategorien werden neue Kategorien nach dem Prinzip des maximalen Kontrasts etabliert.
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen deutlich, warum erwachsene Bilinguale - trotz ihrer Fähigkeit, neue Lautkategorien zu erwerben - einen fremdsprachlichen Akzent nicht vermeiden können.
Literatur:
Bohn, O.-S. & Flege, J. E., 1990, Interlingual identification and the role of foreign language experience in L2 vowel perception. Applied Psycholinguistics 11, 303-328.
Bohn, O.-S. & Flege, J. E., 1992, The production of new and similar vowels by adult German learners of English. Studies in Second Language Acquisition 14, 131-158.
Flege, J. E., 1995, Second-language speech learning: Theory, findings, and problems. In: Strange, W., ed., Speech perception and linguistic experience: Theoretical and methodological issues in cross-language speech research. Timonium, MD: York Press, 233-277.
Flege, J. E., Bohn, O.-S. & Jang, S., 1997, The production and perception of English vowels by native speakers of German, Korean, Mandarin, and Spanish. Journal of Phonetics (im Druck).
zum Programm der AG 3
zur alphabetischen Übersicht der Abstracts
zur zeitlichen Übersicht