Karin Afshar (Hamburg):
Was ist "schuld" am Misserfolg? – Deutsch und Persisch in familiärer Kommunikation

Mittwoch, 15.30 Uhr

Die vorliegende Analyse von deutsch-persischen Interaktionen zwischen Vater und Kindern bzw. Mutter und Kindern versucht zu klären, warum ein Bilingualismus nicht etabliert werden konnte. Die Daten hierzu wurden über einen Zeitraum von ca. 4 Jahren erhoben. Zur Zeit der Aufnahmen waren die beiden Kinder Alexander und Yasmin 3;10 bis 4;3 bzw. 2;0 bis 2;6 Jahre alt. Sie sind von Geburt an in einer deutsch-persischen Umgebung aufgewachsen.

Immer wenn es mit der Etablierung einer Zweisprachigkeit geklappt hat, erübrigt sich in den meisten Fällen die Frage nach dem Wie. Es hat funktioniert, und die artikulierte Einsicht, dass von einem ganzen Konglomerat an Faktoren zu sprechen ist, wird beinahe als trivial abgetan. Dieses Konglomerat an Faktoren kann im vorliegenden Fall transparenter gemacht werden, und zwar gerade weil die marginale Situation der beiden Kinder einige Einblicke in die Grenzwanderung zwischen Ein- und Zweisprachigkeit zulässt. In diesem Zuge werden nun mehrere Komponenten des Misserfolgs ausgelotet.

1. Anhand von drei Aufnahmen, in denen der Vater mit den Kindern bzw. die Mutter mit den Kindern in speziellen Handlungszusammenhängen agiert, wird gezeigt, dass ein partnerschaftlicher Umgang unter den Sprechenden und eine Verwendung von Sprache in partner-orientierten Situationen eine Voraussetzung für den Erwerb dieser Sprache darstellt. Dagegen kann ein "kontrollierender" Umgang – vornehmlich realisiert in Aufforderungen zum Sprechen und in Aufforderungen zum Handeln – nur einen kleinen Ausschnitt einer zu erwerbenden Sprache berühren. Die Tatsache, dass Persisch in der vorliegenden Untersuchung über die Maßen in kontrollierender Weise verwendet wird, bedingt letztlich die Festlegung des Persischen auf ein bestimmtes, vorhersagbares, an Variationen jedoch armes, Repertoire. Dieses ist offensichtlich nicht geeignet, die Kinder zum Erwerb zu motivieren und zu befähigen.

2. Die Zusammensetzung der Familie – Mutter Sprecherin der Mehrheitssprache, Vater Sprecher der Minderheitensprache – tut das ihrige dazu, eine strikte Sprachtrennung nicht aufrechterhalten zu können. Sie stellt eine weitere Hürde für die Familie dar, insofern als die Mutter viel mehr Zeit mit den Kindern als der Vater verbringt.

3. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Sprechstile ist zu fragen, inwieweit die Kultur und die Erfahrungen des Spracherwerbs des Vaters (Persisch als L1) beim Scheitern der Etablierung bzw. des Erhalts eines simultanen Bilingualismus (bei den Kindern) eine Rolle spielen. Es wird davon ausgegangen, dass der väterliche wie mütterliche Umgang mit dem Sprachvermitteln und mit der Sprachverwendung in bilingualer Umgebung durch die Kultur bzw. die Tradition der Herkunftsgemeinschaft determiniert ist.

4. Schließlich ist zu klären, inwieweit die zweisprachige Situation und die Tatsache, dass der Vater in einer Sprachdiaspora lebt, die L1 und die Sprachalternationen des Vaters beeinflussen.

Interviews und Querschnittdaten von weiteren Familien der Sprachkombination Deutsch-Persisch und der Verteilung Mutter/ Deutsche - Vater/ Iraner sollen zu den Unterpunkten im Prozess der Differenzierung Klarheit verschaffen.

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