Das Plakat zeigt Proben von Schriften unterschiedlicher Sprachen, darunter das Lateinische, Griechische, Arabische, Türkische, Malabarische, Russische und Armenische. Im Zentrum der Darstellung ist ein hebräisches Schriftstück mit einem kurzen biblischen Textauszug abgebildet. Das Motiv der 20. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft stellt einen zweifachen Bezug zum Kongreßthema Sprachkontakt her:
Einerseits zeigen die gemalten Schriftstücke einen Ausschnitt der Giebelbemalung eines geheimnisvollen Schrankes, der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Fülle von Schriftproben behütet, u.a. zahlreiche bisher nicht edierte Handschriften sehr verschiedener Sprachen. Gesammelt wurden diese unterschiedlichen Beispiele für Schriftlichkeit in dem eigens angefertigten barocken Schriftenschrank, der sich im halleschen Kunst- und Naturalienkabinett befindet. Die Vitrinenschränke dieser Lehrsammlung zeichnen sich dadurch aus, daß die Bemalung der Schrankgiebel wie ein Inhaltsverzeichnis auf die jeweils enthaltenen Lehrmittel der Waisenhausschulen verweist. Die Lehrmittel des Schriftenschrankes stammen aus den Ländern, die von halleschen Missionaren und Wissenschaftlern bereist worden sind; dazu gehören neben den slawischen Ländern auch Griechenland, Südindien, nahezu der gesamte Orient und Nordamerika. Die Schriftproben dieser Länder bezeugen somit gleichsam die Begegnung vieler fremder Sprachen in Halle.
Andererseits handelt der hebräische Textauszug von dem berühmten Turmbau zu Babel (Genesis XI, 7) und verweist somit auf die Aufsplitterung einer menschlichen Ursprache in die historischen Einzelsprachen. In der Lutherübersetzung heißt es: "Wohlauf, lasset uns herniederfahren und ihre [der Menschen] Sprache daselbst verwirren, daß keiner des anderen Sprache verstehe". Diese Pluralität und Unterschiedlichkeit der Sprachen kann zugleich als Anfang des Kontaktes fremder Sprachen miteinander gesehen werden.
So können sowohl die Alphabetschriften als auch der Genesistext jeweils als allegorische Verweise auf das Tagungsthema Sprachkontakt verstanden werden.
Der Rahmen des Kongresses wird u.a. durch die Ausstellung "Halles Wege in die Welt - eine interkulturelle Spurensuche" gestaltet; auch der Schriftenschrank wird sich unter den Exponaten befinden. Auf Wunsch bietet der Leiter des Archivs der Franckeschen Stiftungen und Custos des Kunst- und Naturalienkabinettes Dr. T. Müller-Bahlke eine besondere Führung an, um interessierten Kongreßteilnehmern Gelegenheit zum Einblick in die Geheimnisse der Handschriften zu geben.
S. Pfänder