Gereon Müller (Stuttgart):
Zur Ableitung der NP-Adv-V-Stellung im Deutschen

Freitag, 12.00 Uhr

Es sieht so aus, als ständen bestimmte Typen von Adverbien (inkl. der Satznegation) im Deutschen im unmarkierten Fall näher an der satzfinalen V-Basisposition als NP-Argumente, und dies z.T. abhängig von dem (In-)Definitheitsstatus der NPs. Es sind im großen und ganzen zwei Möglichkeiten in der Literatur vorgeschlagen worden, diesem Phänomen zu begegnen. Zum einen hat man angenommen (vgl. z.B. Lenerz (1977), Haftka (1981), Bierwisch (1988), Frey & Tappe (1991), Suchsland (1991), Müller & Sternefeld (1995)), daß hier die Adverbien in der Tat näher am Verb basisgeneriert werden als die NP-Argumente, auch wenn dies zunächst einmal klassischen X-bar-theoretischen Grundsätzen widerspricht. Zum anderen ist in der Nachfolge von Webelhuth (1987, 1992) dafür argumentiert worden, daß in diesen Fällen die NPs aus der VP hinausbewegt, also gescrambelt worden sind. Beide Ansätze scheinen nun problematisch: Die Scrambling-Analyse muß erklären, warum in diesen Fällen, anders als üblicherweise postuliert, Scrambling nicht zu größerer Markiertheit führt, sondern im Gegenteil zu Unmarkiertheit (inklusive der Möglichkeit maximaler Fokusprojektion), und warum die relative Abfolge mehrerer NP-Argumente nach der Bewegung genau dieselben (Markiertheits-)Eigenschaften hat wie man sie beim Fehlen von Adverbien, also ohne Bewegung, feststellt. Die traditionelle Basisgenerierungsanalyse muß demgegenüber mit empirischer Gegenevidenz aus den Bereichen der Reflexivierung und der Extraktion zurecht kommen: Wie Grewendorf (1988) zeigt, werden in der NP-Adv-V-Konstruktion Adv-interne Argumente bei Koreferenz mit NP nicht reflexiviert, sondern pronominalisiert (was unter der Basisgenerierung von NP vor Adv unerwartet ist), und Extraktion aus NP (aber nicht aus Adv) in diesem Kontext zeigt typischerweise Einfrierungseffekte, wie sie charakteristisch sind für bewegte Elemente (vgl. Wexler & Culicover (1980)), aber nicht für Objekte in ihrer Basisposition.

Als Lösung dieses Dilemmas möchte ich eine optimalitätstheoretische Analyse vorschlagen (vgl. Grimshaw (1997)). Dieser Analyse zufolge ist die Abfolge NP-Adv-V immer transformationell durch NP-Scrambling abgeleitet (was im Einklang sowohl mit der Extraktions- und Reflexivierungsevidenz als auch mit der klassischen X-bar-Theorie steht). Das Markiertheitsproblem wird nun gerade dadurch gelöst, daß der Begriff der Unmarkiertheit nicht mehr an die Basisabfolge gekoppelt wird (wie man das seit Lenerz (1977) gemeinhin getan hat), sondern definiert wird über das Konzept der Optimalität. Konkret möchte ich zeigen, daß Scrambling gerade nicht automatisch zu größerer Markiertheit führt; im Gegenteil, Scrambling ist motiviert durch das Ziel, optimal eine geordnete Hierarchie von Linearisierungsbeschränkungen zu erfüllen (vgl. etwa Lenerz (1977), Reis (1986), Uszkoreit (1988)): Unmarkierte NP-Adv-V-Abfolgen haben ein besseres Beschränkungsprofil als basisgenerierte, markiertere Adv-NP-V-Abfolgen; und eine NP(dat)-NP(akk)-Adv-V-Abfolge hat typischerweise (bei identischem Belebtheits- und Definitheitsstatus der beiden Argumente) ein besseres Beschränkungsprofil als die umgedrehte NP(akk)-NP(dat)-Adv-V-Abfolge.

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