Hilke Elsen (München):
Plädoyer für eine oberflächennahe Phonologie. Die Entstehung grammatischer Struktur aus funktionalistisch-kognitiver Sicht

Mittwoch, 17.30 Uhr

In diesem Vortrag wollen wir Sprachwandelprozesse im Bereich der Phonologie am Beispiel der Kindersprache untersuchen. Dabei gehen wir davon aus, daß es keine expliziten Verfahren gibt, die die kindersprachlichen Äußerungen von gehörten Formen ableiten. Kinder- und erwachsensprachliches Verhalten ist prinzipiell gleich. Die Annahme von angeborenen symbolischen Kategorien und Regeln ist nicht nötig, denn Struktur entsteht.

Zunächst stellen wir Methodik und Ergebnisse einer Tagebuchstudie zum Erwerb des Deutschen (Elsen 1991) vor und diskutieren Erklärungsmöglichkeiten im Rahmen des Konnektionismus (vgl. Berg 1995, in Vorb., Stemberger 1992, Elman et al. 1996) und der Optimality Theory (Stemberger & Bernhardt 1997, Bernhardt & Stemberger 1997).

Die gefundenen Abweichungen von der Zielsprache wie beispielsweise Schemata, Auslassungen, Ersetzungen, Variationen sind teilweise funktional verständlich, teilweise durch die Vorstellung, Informationsverarbeitung geschehe netzwerkartig (Elsen 1994, 1996, in Vorb a, b). Wir zeigen, daß die Entwicklung der lautlichen wie auch der übrigen grammatischen Struktur langsam vor sich geht, Schwankungen und Einflüssen von anderen sprachlichen und nicht-sprachlichen Bereichen unterworfen ist und trotzdem systematisch geschieht. Wir stellen ein Grammatikmodell vor, das für alle sprachlichen Ebenen gilt und auch andere Sprachwandelprozesse erklären soll wie z. B. Realisationsphonologie oder historischen Sprachwandel. Dazu sind keine abstrakten symbolischen Regeln und Kategorien notwendig, denn Regularitäten des sprachlichen Systems lassen sich aus Oberflächeninformationen ableiten.

Literatur:

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