Petra Maria Vogel (Osnabrück):
Unflektierte Adjektive im Deutschen

Mittwoch, 15.30 Uhr

Adjektive werden im Deutschen zu den flektierbaren Wortarten gezählt. Flektiert sind Adjektive vor allem in attributiver Position (das grüne Haus), während unflektierte Adjektive in attributiver Funktion selten sind und als antiquierte und ritualisierte Wendungen empfunden werden (auf gut Glück). In bestimmten Verwendungen müssen Adjektive im Neuhochdeutschen jedoch unflektiert stehen, und zwar:

  1. attributiv-prädikativ: Hans putzt seine Zähne blank,

  2. prädikativ: Hans´ Zähne sind blank,

  3. adverbial: Hans putzt seine Zähne schnell.

Speziell die adverbiale Verwendung unter (c) führt aufgrund bestimmter Gemeinsamkeiten mit der Klasse der Adverbien, nämlich Nichtflektiertheit und syntaktischer Bezug auf das Verb, oft zur Vermischung mit dieser Wortart. Ist die Übereinstimmung mit der Merkmallosigkeit von Adverbien wirklich rein zufällig oder gibt es Gründe dafür? Warum läßt das Neuhochdeutsche hier außerdem Merkmallosigkeit zu, obwohl andere Sprachen, etwa Englisch oder Französisch, ihre Adjektive in adverbialer Funktion markieren, und zwar mit -ly beziehungsweise -ment? Selbst das Mittel- und Althochdeutsche wiesen noch eigene Markierung für Adjektivadverbien auf, nämlich -e bzw. -o. Wieso konnte sich das ändern?

Ich möchte zeigen, daß die Merkmallosigkeit aller drei oben genannten syntaktischen Verwendungen von Adjektiven keine Chaotisierung des Systems darstellt, sondern motiviert ist. Dabei kristallisiert sich ein Adjektivsystem heraus, das durch die Interaktion dreier Ebenen bestimmt ist: der semantischen Ebene mit nominalen und verbalen Eigenschaften, der syntaktischen Ebene mit der Interaktion von adjektivischer Koprädikation und Satzprädikation sowie einer weiteren semantischen Ebene der potentiellen und aktuellen Temporalität. Dabei läßt sich zeigen, daß die Merkmallosigkeit bei der prädikativen, attributiv-prädikativen und adverbialen Verwendung von Adjektiven im Neuhochdeutschen durch das gemeinsame Merkmal der Aktualität motiviert ist. Mit der Merkmallosigkeit der Adverbien hat das nichts zu tun, denn gerade da, wo stärkere Bezüge zu den Adverbien vorliegen, tritt Merkmalhaftigkeit auf.

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