Gabriele Scharf (Bad Bergzabern):
Gestörtes Timing bei Dysarthrophonie: Zur akustischen und artikulatorischen Realisierung von Vokalquantität bei Patienten mit zerebellärer Ataxie und Morbus Parkinson

Freitag, 13.30 Uhr

Die verschiedenen neurogenen Sprach- und Sprechstörungen können zu verschiedenartigen Störungen der zeitlichen Struktur sprachlicher Äußerungen führen. Im Rahmen von Aphasien, Sprechapraxie und Dysarthrophonien kommt es zu pathologischen Veränderungen der zeitlichen Koordination artikulatorischer Gesten, der Sprechgeschwindigkeit und des Sprechrhythmus. Dabei entstehen charakteristische Muster pathologisch veränderter Dauern der linguistisch relevanten Einheiten.

In der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel von Patienten mit zerebellärer Atrophie bzw. Morbus Parkinson das Timing sprachlicher Äußerungen bei Dysarthrophonie untersucht. Über die bisher veröffentlichten Studien hinausgehend basiert diese Untersuchung zum einen auf einem verhältnismäßig großen Korpus klinischer Daten, zum anderen auf der Analyse akustischer und artikulatorischer Daten. Als Timing-Aufgabe dient die Realisierung des phonematischen Vokalquantitätskontrastes im Deutschen. Elf Patienten mit zerebellärer Ataxie, 10 Patienten mit Morbus Parkinson und 15 Kontrollpersonen produzierten Sätze der Form 'Ich habe gepVpe gelesen', wobei V für verschiedene Lang- und Kurzvokale steht. Sieben zerebelläre Patienten, 13 Parkinson-Patienten und 13 Kontrollsprecher produzierten zusätzlich entsprechende Sätze mit [a:] und [a] als Zielvokal unter drei verschiedenen Sprechgeschwindigkeitsbedingungen. Neben der Berechnung verschiedener Maße für den Vokallängenkontrast wurde die Dauer unterschiedlicher linguistischer Einheiten gemessen und auf einen möglichen Effekt der Faktoren Vokalquantität und Sprechgeschwindigkeit hin überprüft. Mittels eines optoelektronischen Zwei-Kamera-Systems wurden die Lippenbewegungen aufgezeichnet und Amplituden, Maximalgeschwindigkeiten und Bewegungsdauern der Lippenöffnungs- und Schließgeste in der Zielsequenz pVp gemessen. Außerdem wurde die zeitliche Koordination von Vokalgrenzen und Lippenzyklus untersucht. Die beiden klinischen Gruppen zeigten einen verminderten Vokalquantitätskontrast gegenüber der Kontrollgruppe, jedoch auf unterschiedliche Weise. Die Störungsmuster werden im Hinblick auf die unterschiedliche zugrundeliegende Erkrankung auf unterschiedliche Timing-Steuerungsprozesse und -Strategien zurückgeführt.

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