Gabriel Falkenberg (Wuppertal)
Zum Progressiv im Germanischen und seinen Nachbarsprachen

Freitag, 13.30 Uhr

Unter Progressiv soll eine Verbalkonstruktion verstanden sein, die den andauernden Verlauf desjenigen Vorgangs anzeigt, der durch ein Vollverb bezeichnet wird. Einen Progressiv gibt es in wenigstens folgenden germanischen Sprachen: 1. Isländisch (Jón er a_ syngja), 2. Englisch (John is (a) singing), 3. Deutsch (dialektal: Er ist am singen), 4. Niederländisch, 5. Jiddisch. Weiterhin existiert er in folgenden Sprachen Europas: 6. Irisch, 7. Baskisch, 8. Spanisch, 9. Albanisch, 10. Finnisch.

Im allgemeinen ist der Progressiv nicht an ein bestimmtes Tempus gebunden; er ist jedoch nicht möglich mit Zustandsverben. Folgende Übereinstimmungen in den Formen des europäischen Progressivs stechen hervor: (A) die Konstruktion ist ausnahmslos periphrastisch; sie enthält stets (B) ein Hilfsverb der Bedeutung ’sich in einem Zustand befinden’, (C) das Vollverb in der Form eines Verbalsubstantivs, Partizips oder Gerundiums, (D) fakultativ eine lokale Präposition (deutsch an, bei, zu) bzw. ihre Verschmelzungsform. Die allgemeine Struktur ist also: sein (+ lokale Präp) + Verbalsubstantiv eines Vorgangsverbs.

Diese Eigenschaften schließen eine unabhängige, einzelsprachliche Genese wohl aus. Sie legen vielmehr einen Sprachbund nahe, den man vielleicht mit "atlantisch" umschreiben könnte.

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